BTU Cottbus
Lehrstuhl Baukonstruktion und Entwerfen
Cottbus 29. - 30. 11. 2005

Symposium Architektur ist Laut
- zu akustischer Dichte in der Architektur und im öffentlichen Raum.




Akustische Signale in der Stadt
Refe
rat 30.11.2005



„Starengesang ist eine lebhaft drauflos sprudelnde Melodie aus tätig trillernden, zwitschernden, glucksenden Lauten, durchsetzt mit Musik und überlagert mit einer Eigenart charakteristisch knirschender Klangfarbe“
aus: Handbuch der Vögel Großbritanniens, 1944



Unit für Stare zum Lehren von Tonfolgen“ Botanischen Garten, März 2005
© Tilman Küntzel 2005


Abstrakt:
Die Natur ist auf dem Vormarsch, sich ihr Terrain von den Menschen zurück zu fordern. Naturkatastrophen der letzten Jahre haben gezeigt, wie blindlings die Menschen in den letzten 2 Jahrhunderten Flussläufe, Küstenstriche oder natürliche Feuchtwiesen verbaut und damit die Kraft der Naturgewalten unterschätzt haben. Auch das Wildleben lernt, sich mit der lückenlosen Urbanisierung des Landes zu arrangieren. Wärmeglocken, die die Städte einhüllen, Müllberge und die Abwesenheit von natürlichen Feinden bieten bessere Bedingungen als flurbereinigte und monokulturell angelegten Agrarlandschaften. Aus Erfahrungen der Flutkatastrophen der letzten Jahre hat man inzwischen eingesehen, den Flüssen ihre ursprünglichen Überschwemmungsgebiete zurück zu geben, so wie auch in New Orleans nach Hurrikan Katrina angedacht wurde, die tiefer liegenden Teile der Stadt als Überschwemmungsareal der Natur zu überlassen. Gleichermaßen sollten auch zukünftige städtebauliche Konzepte die Anwesenheit von Wildleben in den Metropolen akzeptieren und durch bauliche Maßnamen fördern. Denn es bringt auch Nutzen in Sinne einer ökologischen Ausgewogenheit mit sich. 

Das akustische Umfeld einer Stadt trägt maßgeblich zur Lebensqualität bei. Waren noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Strassen der Städte durch Ohren betäubenden Lärm geprägt, ist es heute ruhiger geworden, und die Menschen erfreuen sich zunehmend an den schwirrenden Pfiffen der Mauersegler, die durch die Häuserschluchten jagen, sowie Klangereignissen wie dem nächtlichem Vortrag einer Nachtigall oder dem variationsreichem Singen einer Amsel. Da die Tiere das Terrain der Lüfte besetzen, prägen sie die akustische Landschaft der Stadt wesentlich. 

Ein Teil der biologischen Forschung, die sich der Kommunikation der Tiere widmet, ist die Bioakustik. Der Star ist hier zum Musterbeispiel der Forschung avanciert. Als Kulturfolger hat er sich dem Menschen angeschlossen und beweist eine ungeahnte Adaptionsfähigkeit, was ihn so erfolgreich macht. Wie der Mensch in seiner Kulturgeschichte seine Erkenntnisse im Sinne der Mimesis aus Naturbeobachtungen ableitet, findet hier eine Umkehrung dessen statt. Denn der Star imitiert auch Geräusche der zivilisatorischen Umwelt und variiert diese in seinem Vortrag mit spezieseigenen Lauten nach festgelegten Schemata. Sein Gesang, der zweistimmig vorgetragen werden kann, weist einen strikten Formverlauf auf und offenbart damit eine ungeahnte Komplexität der Struktur der hervorgebrachten Lautäußerungen mit einem Zeitauflösungsverhältnis, das nicht dem unseren entspricht. Anhand von Klangspektrogrammen lassen sich jedoch heute präzise Analysen dieser Gesangskunst vornehmen, die geeignet ist zu verdeutlichen, inwieweit  der Starengesang nach menschlichen Kategorien als künstlerisch/ästhetisches Ereignis zu bewerten ist.

Das Referat wird begleitet mit Filmbeispielen von Aufnahmen, die u.a. Sprach- und Geräuschimitationen von Staren dokumentieren.


Tilman Küntzel ist Initiator des Projekts „Stare über Berlin- ästhetische Analogien des Vogelsangs“ das mit einem Symposium, Konzerten und Ausstellungen im September 2004 in Berlin stattfand. Im Botanischen Garten führt er eine Versuchanordnung mit sog. „Units“ durch, Elementen zum Lehren von Tonfolgen für Stare.