Charles Gordon
The Citizen's Weekly, Ottawa, Canada, August 9th 1998
TOOT SUITE
(…) New Music – often defined as atonal and electronic music – has a major festival in Victoriaville, Que. There is another in Houston and St. John`s has become part of the thinking of touring musicians and artists. Two of Symposiums 9`s overseas artists, Tilman Küntzel, a German sound sculptor, and John Butcher, a British jazz saxophonist, approached the organizers and said they were coming to North America. “They know what we like and the artists know what the spirit of the place is and they`re usually pretty enthusiastic, “ Wherry said. “I think that what we do is really nice in that sound is the focus and we don`t get locked into any one particular style of music,” he adds. “We try to envision our selves walking through the whole symposium when we plan it. It`s like its own work of art, each symposium.”
It is cold, windy and drizzly at noon on Signal Hill capelin weather, as it is known. Far below, invisible behind the fog, the ships are getting ready for the Harbour Symphony. When it begins, at 12.30, it can be heard, althrough not seen. Today`s symphony features low toots from some ships and high toots from others. There are long toots and a series of sharp toots. They echo off the hills around St. John`s and bounce off the hills around St. John`s and bounce off the fog. It lasts about six minutes and, after the last horn has sounded, a group of listeners on a nearby hill applauds.
Tilman Küntzel has some ideas of his own about the Harbour Symphony. He has been asked to compose one for later in the week.
Meanwhile he works on his installation, which is called Sounding Windsocks, and things are not going well. The installation, which consists of amplefired egg-slicers inside windsocks, does not react well to the fog on Signal Hill. ?This wetness is horrible for the contacts,? he says, as he walks away with pliers and sprays contact cement.
The three windsocks, lime-green stripes on white, are on flagpools. The egg-slicers are tickled by nylon cord in the wind, then amplified and played through three banks of loudspeakers. When it works well, as it did the day before, the composition is interesting. ?This is a terrific opportunity to let the wind compose,? Küntzel says. ?Each time you visit the soundscape, you have a different result.? But one of the results today is an electric popping noise coming out of the speakers. Küntzel`s parents were musicians. Born in 1959, he studied fine arts and quickly discovered that what interested him was not so much music as the use of sounds from life to make music. Since 1985, he has done 20 concerts, 25 solo exhibitions in the past 10 years. Heard on CD, his compositions have a natural playfulness. A 36-minut composition, „Wir fangen das Mögliche“ (We catch the possilble) is a mixture of bird calls, poetry in German, conventional music, electronic noises, voices on answering machines, including one calling for him in English. For the Harbour Symphony he will be composing later in the week, Küntzel wants to capitalize on the built-in inexactitude of the form. He explains that, instead of actual notes, the composer uses the concept of higher and lower, longer and short er. The hornblowers on each ship follow the timekeepers and the score, blowing short or long blasts at the appropriate moment. If it works as inexactly as it sounds, and with echoes added in, then requiring all the horns to blow exactly the same thing in the same place will result in the chaotic sound that is precisly what Küntzel wants. This shows that he has come to the right place. A welcoming approach to the unexpected is one of the continuing features of Sound Symposium. (…)
deutsche Version:
TOOT SUITE
Neue Musik – oft definiert als atonale und elektronische Musik – bringt ein großes Festival in Victoriaville, Quebeck. Ein weiteres gibt es in Houston, und auch St. John`s ist in die Planung tourender Musiker und Künstler aufgestiegen. Zwei aus Übersee angereiste Künstler des 9. Sound Symposiums, Tilman Küntzel, der deutsche Klangskulpteur und John Butcher, ein britischer Jazzsaxophonist, sind auf den Veranstalter zugegangen und sagten, daß sie in Nordamerika unterwegs sein werden. „Die wissen was wir mögen und was der Geist dieses Ortes ist und sind für gewöhnlich sehr enthusiastisch” sagt Don Wherry „Ich denke, das Gute an dem, was wir tun, ist, daß der Klang im Mittelpunkt steht und wir uns nicht auf einen bestimmten Musikstil beschränken. Wenn wir ein Symposium planen, stellen wir uns vor, selbst hindurchzugehen. Jedes Symposium ist für sich genommen ein Stück Kunst“. Es ist kalt, windig und diesig an diesem Mittag auf Signal Hill; verhangen, wofür dieser Ort bekannt ist. Weit unten, unsichtbar hinter dem Nebel, machen sich die Schiffe bereit für die Hafensymphonie. Wenn es um 12.30 Uhr losgeht, wird es überall zu hören, aber nicht zu sehen sein. Die heutige Symphonie beinhaltet lang anhaltendes Tuten von den einen und hohes Tuten von anderen Schiffen. Es gibt lange Tuts und eine Serie kurzer Tuts. Ihr Echo bricht sich in den Bergen, die St. John`s umringen, und verhallen im Nebel. Das Ganze dauert ungefähr 6 Minuten, und nachdem das letzte Horn verstummt ist, applaudiert eine Gruppe Zuhörer auf einem nahegelegenen Felsen.
Tilman Küntzel hat andere Ideen für seine eigene Hafensymphonie. Er wurde gebeten eine Komposition für eine spätere Aufführung zu entwerfen. Unterdessen arbeitet er an seiner Installation namens Die klingenden Windsäcke und die Dinge stehen nicht so gut. Die Installation, die aus Lautsprechern, Verstärkern und Eierschneidern in den Windsäcken besteht, wird durch den Nebel gestört. „Diese Feuchtigkeit ist furchtbar für die Kontakte“, sagt Küntzel und sprüht Kontaktspray an den Mechanismus.
Die drei Windsäcke, limonengrün gestreift auf weißem Hintergrund, stecken auf Fahnenmasten. Die Eierschneider werden durch den Wind von Nylonschnüren angezupft, dann verstärkt und durch drei große Lautsprecherboxen wiedergegeben. Es ist eine interessante Komposition, vorausgesetzt es läuft gut, so wie es am Tag zuvor der Fall war. Dieses ist eine großartige Möglichkeit, den Wind komponieren zu lassen sagt Küntzel. Jedes Mal, wenn man die Installation besucht, hört man eine andere Musik. Heute jedoch besteht die Musik aus elektrischen Knackgeräuschen. Küntzels Eltern waren Musiker. Geboren 1959, studierte er Freie Kunst und entdeckte schnell, daß das, was ihn interessierte, nicht so sehr die Musik war, als vielmehr der Umgang mit Geräuschen, um damit Musik zu machen. Seit 1985 hat er 20 Konzerte und 25 Soloausstellungen bestritten. Seine Kompositionen muten spielerisch an. Die 36 Minuten dauernde Komposition Wir fangen das Mögliche ist eine Mischung aus Vogelrufen, Poesie in deutscher Sprache, konventioneller Musik, elektronischer Geräusche und Stimmen vom Anrufbeantworter incl. ein Anruf in englischer Sprache.
Seine Harbour Symphonie wird er in den nächsten Tagen komponieren. Küntzel möchte dabei die der Ausführung innewohnende Fehlerhaftigkeit als kompositorisches Element einbeziehen. Der Schiffshornspieler auf jedem Schiff bläst dem Zeitzähler und der Partitur folgend kürzer oder länger im vorgesehenen Moment. Wenn nicht hundertprozentig präzise gespielt wird, kombiniert mit dem Echo der umliegenden Berge und der Trägheit der angeblasenen Hörner, endet das Ganze in einem chaotischen Durcheinander. Und das ist genau, was Küntzel will. Es zeigt, dass er hier an den richtigen Ort geraten ist: eine Konstante dieses Sound Symposiums ist es, Unerwartetes freudig willkommen zu heißen.
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