Skype Interview

Bernhard Gal für seine Dissertation am 22. Mai 2012

Wie sind Sie zu klangbasierten Werken gekommen, seit wann arbeiten sie mit Klängen?

„[TK:] Bei mir war es eindeutig die familiäre Prägung, also [ein] musikalisches Elternhaus, Musikpädagogen in erster Linie, und [ich bin] schon früh mit diesen Aktivitäten konfrontiert worden. Auch mit dem häuslichen Musizieren, das war immer ein Teil. Und auch die Natur um das Elternhaus herum ist wichtig, mit vielen Vögeln und so im Garten, und das Sitzen unter dem Flügel ist auch so eine Schlüsselerfahrung gewesen als kleines Kind. Und die Höreindrücke davon, und so weiter. Und dann hatte ich mich ja mehr der Kunst zugewandt und dann im Kunststudium schon vom ersten Semester an eigentlich diese Verknüpfung angestrebt und hatte da auch ziemlich viel Glück, dass am Lerchenfeld [Anmerkung: Die Hochschule für bildende Künste Hamburg] damals der Gerhard Rühm dort war, und der Claus Böhmler auch, [der] diese Verknüpfung von Hören und Sehen eigentlich immer thematisiert hat, und [dadurch] bin ich da gut aufgehoben gewesen, und auch der Direktor Carl Vogel hat da Ambitionen gehabt und das gefördert. So waren dann auch viele Gastprofessoren aus der Fluxus-Szene zu Gast und haben da Arbeiten aus dem Performance- und Happening-Bereich vorgestellt und auch mit uns Projekte gemacht. Henning Christiansen zum Beispiel, und Philip Corner und Bo Hansen, und so Leute. Und [da] habe ich fruchtbaren Boden gefunden und habe eigentlich ab dann versucht, die Malerei erst in Klänge umzuwandeln, und die Malerei mit Klängen zu begleiten, und bin dann über Klanginstallationen, Rauminstallationen, so weiter gegangen. Oder mit Klangobjekten eigentlich, [ich habe] also sehr ästhetische Objekte gebaut, die Licht und Klang beinhaltet haben.“

Steht die Klangkunst im Mittelpunkt Ihres künstlerischen Schaffens? (wenn nicht, in welchen künstlerischen Bereichen arbeiten Sie?)

„[TK:] Das ist schon ganz wichtig, dass ich da eine eigene Position habe, weil ich einfach aus der Bildenden Kunst komme und, was du vorhin auch gesagt hast, ich kann einfach auch bauen [lacht], und baue auch wahnsinnig gerne Dinge und bin auch sehr materialverliebt. Deswegen möchte ich auch mit meinen neuen Arbeiten wieder mehr zur Skulptur und mehr in den Bildenden Kunst-Kontext, obwohl sich an der eigentlichen Arbeit überhaupt nichts ändern wird, also das wird immer noch mit Licht und Tönen zu tun haben. Aber ich möchte mich ein bisschen aus diesem Korsett befreien, dass das jetzt Klangkunst ist, das ist eher behindernd, finde ich, weil ich eben auch viel mehr materialästhetisch arbeiten will, und die Klänge als Teil einer Skulptur sehen will, und weniger als kompositorischen Verlauf, also den Zeitparameter eigentlich raushaben will.“

Wenn Sie wählen müssten… Würden Sie Ihre Arbeit eher der Bildenden Kunst, der zeitgenössischen Musik oder einem anderen Bereich zuordnen? Warum?

„[TK:] […]von meinen Wurzeln her wollte ich immer in diesem Bildende Kunst-Kontext bleiben, und den Klang als Zustand, als Material, dazu einführen. Ich habe das auch nie als Musik oder so konzipiert, oder verstanden, mehr eben als Klang, der mit der physischen Form und mit dem Material zusammen funktioniert, und auch nicht im Verlauf. Es gibt da auch keine Narrative, keinen Anfang und kein Ende, sondern in meinem Verständnis sind die Klänge mehr Zustände, die eine Stimmung bilden – wie zum Beispiel ein bestimmtes farbiges Licht auch eine bestimmte Stimmung evoziert, sollen auch diese Klänge eigentlich das Material in Stimmungen eintauchen, oder so. Und dann darüber skulptural funktionieren.“

Fragen zu Klangkunst – A German Sound

Können Sie Ihren künstlerischen Beitrag kurz beschreiben?

„[TK:] Der Titel ist ‚Allegorie der Schreibtischlampe’, und das war einfach die Beobachtung, dass [ein] Lampenschirm eigentlich [eine] ähnliche Form hat wie ein Lautsprecher. Und darüber kam es dann [dazu], dass ich eine Lampe nachgebaut habe und anstatt eines Reflektors den Lautsprecher eingebaut habe. Und wenn man den Schalter betätigt, hört man das Geräusch vom Schreiben – also das, was die Lampe eigentlich beleuchtet, wird als Echo von dem Lampenschirm wiedergegeben, und man hört das virtuelle Schreibgeräusch, das die Lampe sonst wahrscheinlich wahrnehmen würde, wenn sie ihren Dienst da erfüllt. Und es ergab sich eben dann, dass das auch formal sehr gut funktioniert hat und die Lampe von Weiten wie eine normale Lampe aussieht. Nur wenn man genau hinschaut, ist eben der Reflektor ein Lautsprecher. Das kam zustande, weil die Organisatoren ein klares Konzept entworfen hatten, indem sie dann Künstler angesprochen haben, wo sie schon wussten, dass sie Arbeiten haben, die sich in dieses Konzept gut integrieren würden. Weil diese Arbeiten sollten ja unentgeltlich zu Verfügung gestellt werden, und deswegen war wohl auch ein Aspekt, dass sie Leute angesprochen haben, wo sie schon die Ahnung hatten, dass es diese Arbeiten gibt. Das Konzept war ja eben ein Raum mit einem Tisch und einem Regal und einem Stuhl davor, und das war ein leerer Raum quasi, [den] dann diese Arbeiten bestücken sollten. Und zu dem Tisch passte eben dann diese Lampe sehr gut und deswegen kam das so, dass dann die Wahl auf diese Arbeit fiel.“

Welche Begriffe halten Sie für brauchbar, um Ihr Werk zu beschreiben? (Klanginstallation, Klangskulptur, …)

„[TK:] [Antwort in Bezug auf beide Beiträge Küntzels, zu ‚Klanginstallation BUGA 2011‘ wie auch zu ‚Klangkunst – A German Sound‘] [Es sind] eigentlich Klangobjekte, sie sind natürlich auch im Raum inszeniert, von daher ist es so ein Zwischending – die Lampe ist ein Klangobjekt, das dann wiederum mit anderen Arbeiten im Raum installiert ist, aber das ist jetzt keine klassische Klanginstallation in meinem Sinne.“

Wie haben Sie die Reaktion der Ausstellungbesucher wahrgenommen? Welche Wahrnehmungsweisen bzw. welches Verhalten wünschen Sie sich von Ausstellungsbesuchern?

„[TK:] Ich wirke nicht auf das Publikum ein, ich beobachte das gerne […] Es gibt gerade in der Klangkunst auch viele Betrachter, die in den Raum gehen und erst mal nur abchecken, wie was funktioniert, wo hier ein Lautsprecher ist, und dann sehen sie, aha, das ist so und so, und das ist die und die Software, […] und hier ist dies und hier ist das – die also ganz pragmatisch den Raum untersuchen auf das, was da technisch realisiert ist, und das finde ich sehr störend. Deswegen inszeniere ich auch ungerne so, dass man die Technik sieht, oder dass da Lautsprecher herumstehen, oder Lautsprecher hängen, oder so – weil das immer dazu verleitet, eben nur auf diese Technik das Augenmerk zu richten, und was dabei auf der Strecke bleibt, ist natürlich die Sinnlichkeit. Also, dass man den Raum betritt und einfach nur die Atmosphäre, den Charakter eines Raumes in sich aufnimmt, das bleibt dann auf der Strecke, wenn man nur im Kopf hinterher ist, herauszufinden, wie das Ganze funktioniert, ob das jetzt interaktiv funktioniert, was auch sehr populär ist – also viele Leute denken, wir müssen da jetzt irgendetwas tun und dann kommt da ein Klang heraus, und so. Das finde ich eigentlich sehr lästig, weil das eben die Aufmerksamkeit, die sinnliche Wahrnehmung, behindert.“

Wie stehen Sie zur Präsentation von Klangkunst im Kontext von Gruppenausstellungen?

„[TK:] Das ist eigentlich die Mehrzahl, dass es so Gruppenthemen-Ausstellungen gibt zu Klängen, also eine Einzelausstellung ist eher seltener als so Gruppengeschichten, gerade bei Festivals. Da geht es eigentlich immer darum, wie kann die funktionieren neben anderen Arbeiten, die vielleicht auch mit Klängen arbeiten, oder stumm sind. Das ist immer ein Thema, wo man dann vor Ort zusehen muss, wie man das positioniert oder [so] einstellt, dass es funktioniert.“

Gespräch Bernhard Gal HÖRORTE | KLANGRÄUME
Eine transdisziplinäre Topografie installativer Klangkunst