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Fallen Chandelier

presented at: Pomezia Light Festival Pomezia (county Rom, It.) 2018, Kronach leutet Kronach 2018, International Light Art Award (ILAA) Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna 2017,  The Ghost in the Mashine Villa du parc des Tanneurs, Rennes (F) + Musée d’art et d’histoire Saint-Brieuc (F) 2016, SoundSeeing V Städtische Galerie Ahlen 2013, Die Blaue Nacht Nürnberg 2013, Parliament Rennes (Fr) 2011, Le Bon Accueil Rennes (F) 2010, Klangraum Flensburg Museumsberg Flensburg 2007, Kunst im Georgengarten Dessau 2006, Festival Electric Renaissance Halle a.d. Saale 2005, Singuhr – Hörgalerie in Parochial Berlin 2004, Rencontres Internationales Paris/Berlin Podewil, Berlin 2003, Rohkunstbau 2003 Wasserschloss Gross Leuthen/Spreewald 2003.

The audiovisual installation Fallen Chandelier is based on a sonification of a controlling system causing the flickering of forty light bulbs within a fallen chandelier. Twenty interconnected starters, similar those commonly found in fluorescent tubes, generate an irregular light rhythm. This occurs by means of bimetallic strips which are heated up in a tube and thus come in contact with one another in rapid sequence. This process is audible. Each starter generates its own rhythm, which has a different sound depending on the brand, make-up, and degree of wear of the starters. „I first listen to a lot of starters before I use them for an installation in the sense of composing.“

Ein Kronleuchter liegt, wie von der Decke gefallen, im Raum. Das Licht der 50 flackernden Glühbirnen des Lüsters bricht sich in den Glaskristallen, so dass spektralfarbene, tanzende Lichtbewegungen den Raum ertasten.  Die Lichtbewegungen generieren sich selbstständig durch Fehlschaltungen, indem ein Starter aus Leuchtstoffröhren in den Stromkreislauf jeweils zweier Glühbirnen montiert wird. Im Innern des Starters befinden sich ein mit Gas gefülltes Röhrchen und zwei Kontakte. Bei Stromzufuhr erhitzt sich das Gas, die Kontakte berühren sich und leiten den Strom zur Glühlampe. Das Gas kühlt ab, der Lichtkreislauf wird unterbrochen und generiert sich erneut, unentwegt und schnell und produziert so das Flackern der Glühbirnen. Die Schaltgeräusche der Kontakte begleiten diesen Prozess: 25 Starter erzeugen 25 individuelle Rhythmen, die durch Lautsprecher im Raum verteilt werden. Es geht um Rhythmus, um das Zusammenspiel von Klang und Raum. Licht und Ton nimmt der Betrachter als unterschiedliche Ebenen wahr, deren Zusammenhang sich ihm nicht zwangsläufig erschließt und so eine ästhetische Spannung erzeugt. Der Kronleuchter selbst behält in dieser technisch bedingten Inszenierung seine poetische Geste: Er scheint, wie in einer Filmsequenz, seine eigene Geschichte zu erzählen.

Die Blaue Nacht Nürnberg

Für die Blaue Nacht verleiht Tilman Küntzel dem Foyer der Nürnberger Akademie den morbiden Charme einer verlassenen Baustelle: 40 Glühlampen machen den Raum zum Aufführungsort eines geheimnisvollen Tanzes aus Licht und Schatten. Als akustisches Pendant dazu werden die kristallinen Klänge der Schaltvorgänge an die im Raum verteilten Lautsprecher geleitet. Die Installation ist ein einziges großes, sich selbst spielendes Instrument. Sehen und Hören verschmelzen hier zu einer einzigen synästhetischen Wahrnehmung.

19. Mai 2013 19h – 1h
Foyer der Nürnberger Akademie

Michael Aschauer & Tilman Küntzel@Le Bon Accueil

October 7 till December 14 2010
74, canal Saint-Martin, F-35700 Rennes
Curated by Damien Simon

Cette exposition rend un ultime hommage aux ampoules à filament et tubes fluorescents appelés à disparaître progressivement. L’occasion de découvrir les oeuvres de Michael Aschauer (Prix Ars Electronica) membre de R-ep.org et Tilman Küntzel figure de proue du Klangkunst. Entre univers féerique créé par un lustre baroque animé d’un souffle électrique et confrontation poétique entre un ordinateur et huit tubes fluorescents.

Lüster is certainly one of the most poetic works by Tilman Küntzel. A Montgolfière chandelier is lying, enigmatic, on the ground, producing light and sound.
The work plays on the visuo-auditive synesthesia percpetion, a subject which guides the work of the artist for several years.
In a remarkable passage in the Phenomenology of Perception Merleau Ponthy describes how the music when it filled the concert hall can transform our perception of it. The music „.. insinuates through the visible space a new dimension where it breaks, as for hallucinates, the clear space of things perceived is split by a“ dark space “ where others presences are possible »1. The view is not the only way for us to understand space, but it is a complex game, a“ one gear on the other sensory areas, „which allows us to find space unity.
Synaesthetic perception, far from being a one-off phenomenon, is more of a norm2, it is universal, but we are not conscious of it. In this complex gearing added memory and feelings that influence the information gathered by the sensory organs, our brain does not reproduce the environment but interpret it.
It is to a similar experience that invites the work of Tilman Küntzel. The chandelier produces sound and light extravaganza that seems to emanate from pendants that constitute it. Without ever having heard it or seen it we know in advance what sounds produces one of its great charms golden chandeliers in glass or crystal. It is part of a common imaginary3, something that we know and remember but wihtout being able to recall the exact place and date. This is also the material that composes it, the glass: it is both, transparency, rigidity, fragility and crystal clear sound.
However, here, imagination and memory lead us to see and hear something that does not exist. Not a tassel is moving, the object is there, motionless, resting on the soil covering by its presence the clear space by this „dark space“. The myriad of tinnitus actually comes with an ingenious device thermal relay technology which stack at irregular intervals by heating and cooling letting pass the electricity that powers the bulbs placed inside the chandelier. It results a smooth and random sound and light composition.

Gerrit Gohlke

Katalogbeitrag Rohkunstbau X im Wasserschloss Groß Leuthen 2003

Dieser Leuchter ist nicht seriös. Zu blechern legt sich der Bandreif um den schweren gläsernen Behang, über dem ein scharfgratiger Baldachin wie eine wilhelminische Dornenkrone prangt. Die Glastropfen hat man ohne Scheu an prosaischen Eisendrähten aufgefädelt, deren Drahtschlaufen nun wie Fossilien in die Kristalle eingeschlossen sind. Prätentiös bauscht sich der billige Prunk zwischen aufgeschraubten Metallgirlanden nach unten, eine große Geste, die im Inneren von zwei Eisenbändern wie mit Prothesen in Form gehalten wird. Ein solcher Korblüster kann nicht von der Schloßdecke gefallen sein, mit der er unkaschiert durch ein Elektrokabel verbunden ist. Er muß als Täuschung auf dem Parkett drapiert worden sein, damit das Publikum etwas Illustres sieht.

Tatsächlich bekommt es etwas geboten, was man als Allegorie auf die Gegenwartskunst lesen kann: Ein Appell an den Schönheitssinn mit einem Mindestmaß an Ortsbezug; ein Minutendrama als Kuratorenglück, das den Schloßraum zu Groß Leuthen in ein kleines Spektakel verwandelt. Timan Küntzel hat einige solche Installationen gebaut, in denen der Second Hand Glamour ironisch um Aufmerksamkeit heischt, während sich ein unsichtbarer, aber umso präziser hörbarer Dialog hinter den visuellen Effekten verbirgt. Ob es sich um 31 blinkende Weihnachtssterne in einem niedersächsischen Ministerium handelt oder um ein Arrangement aus Neonröhren in der Bremer Städtischen Galerie: Küntzels Installationen reduzieren die Kunst zunächst auf eine sinnfrei blinkende Maschinerie, die von der dekorativen Massenware aus den Restpostenbasaren und Heimwerkergeschäften nicht mehr zu unterscheiden ist und aus der erst im zweiten Schritt eine hintergründige Bricolage-Ironie Störsignale ableiten kann. Das Sichtbare wird hier mit Tonabnehmern observiert, in Schaltkreise eingespeist und mit Bimetallkontakten gesteuert. Kunst wird zur seismographischen Praxis, die den aufgebauten Apparat belauscht und so hinter die Schauseite dringt.

Der Leuchter ist deshalb nicht mehr als eine genußvolle Geste, ein Spiel mit dem Sehsinn und der Erwartungsfreude des vorüberflanierenden Publikums, er ist die eilige Metaphernmaschinerie, in der Kronleuchter und Schloß eine assoziative Paarung ergeben. Erst hinter dem Glasbehang verbergen sich die elektronischen Innereien. Vom preußischen Baldachin werden die Kabel nicht direkt zu den Glühbirnen geführt. Sie verzweigen sich zunächst zu einem Netz von Neonröhrenstartern, die nach einer technischen Manipulation die Glühlampen mit Strom versorgen. Die Starter werden von wärmeempfindlichen Kontakten in nervöse Aktivität versetzt. Die Glühbirnen leuchten auf und erlöschen. Der Raum ist von einem systematischen, regelmäßigen Flackern erfüllt, das vollkommen sinnlos bleibt, aber von den Wänden her ein akustisches Echo erhält. Ein leiser und beiläufig hoher Ton, der halb einem angestoßenen Glas, halb einer gezupften Gitarrenseite gleicht, wird in den Startern erzeugt und mit den übersteuerten Tonabnehmern zu einer Serie trichterförmiger Lautsprecher übertragen. In dem überempfindlichen Sound mischt sich die Resonanz der Schritte im Raum mit dem Widerhall einer selbstgenügsamen Apparatur. Die Bewegungen des Publikums verschmelzen mit der maschinellen Aktivität des Dekors, werden zum Bestandteil der Kunst und zum Hinweis auf die Unbeständigkeit und Prozeßhaftigkeit der ästhetischen Aufmerksamkeit.

Bei aller Theatralik der Kulisse, den vernagelten Fenstern mit ihren kalkuliert inszenierten Lichtdurchlässen oder dem aufgebahrten Leuchter im feudalen Raum, siegt so der Klang über das Licht, und mit ihm ein ephemerer, hinter den Kulissen erzeugter Prozeß über den Augenschein. Das Sichtbare ist bei Küntzel immer vom Absurden bedroht. Lautsprecher auf Biergartenlampen, perforierte Schlosserbleche auf nackten Wänden oder ein prahlerisches Seventies-Werbeschild mit der Aufschrift „Lights & Sounds by Tilman Küntzel“ zitieren Komödie und Farce. Es sind Zeichen für die Absurdität und Komik ästhetischer Formalität, an der nicht die schnell erfaßbaren Oberflächen, sondern die Schnitt- und Schaltstellen die Aufmerksamkeit der Betrachter verdienen. Die Kunst unterläuft hier ihre eigenen Gesten. Sie fordert eine Wahrnehmungshaltung wie gegenüber der Natur. Nicht nur in Küntzels akustischen Landschaftsinterventionen, sondern auch auf dem Schloßparkett sieht man so dem Ästhetischen eine Zeit lang bei der Arbeit zu. Ein bißchen ist das wie Singvögel zu belauschen. Man läßt sich aufhalten und bleibt Passant. Die Kunst ist dabei dem Kitsch, den sie sich zunutze macht, nicht überlegen. Sie erreicht aber etwas, was den Massenprodukten und Dekoren unmöglich ist: Sie setzt lokale Aufmerksamkeit frei und erzeugt so eine transitorische Autonomie. Gut zu wissen, daß das Ästhetische nicht blinkt oder in durchschlagenden Metaphern aufblitzt – sondern ein Störgeräusch ist.

© Gerrit Gohlke, Juni 2003