Barbara Barthelmes

Gedanken zum Werk Tilman Küntzels

DAS AUGE SUCHT, DAS OHR FINDET

I

Tilman Küntzels Schaffen ist so facettenreich, daß es schwer fällt, es in gängige Sparten einzuordnen oder einen prägnanten Begriff zu finden, der das Spezifische seines künstlerischen Tuns faßt. Da finden sich Fotoarbeiten, Multiples und Collagen neben musikalischen Kompositionen. Deutlich ist eine Vorliebe für das objektbezogene Arbeiten, das die Dimensionen Klang, Licht und
Bewegung integriert und in installative und performative Formen ausweitet. Dieses für Küntzel typische Crossover zwischen den Gattungen Musik und Kunst, legt eine Charakterisierung als Klangkunst nahe. Doch dieses Etikett allein ist wenig aussagekräftig, wenn nicht deutlich wird, wie Tilman Küntzel den Begriff inhaltlich füllt, ihn vielmehr durch seine persönliche Handschrift interpretiert.

II

Im Bereich der Klangkunst kann man zwischen den Künstlern unterscheiden, die ihren Ausgangspunkt in der bildenden Kunst haben und von da aus sich dem Medium Klang zuwandten, z. B. Yves Klein, Hermann Nitsch oder Hanne Darboven und solchen, bei denen die Überschreitung der Gattungsgrenzen vom
Einflußbereich der Musik ausging. Eine solche Festlegung auf ein Ausgangsmedium ist bei Tilman Küntzel nicht möglich. Zwar durchzieht seine Biographie ganz deutlich eine musikalische Spur: von der Dominanz der Musik im Elternhaus bis hin zu seinen eigenen zufallsbestimmten Kompositionen. Dem ungeachtet bewegt er sich im Einflußbereich der künstlerischen Tradition, die mit dem alles und nichts sagenden Begriff Objektkunst belegt wurde. Einer Kunst, die mit den Papiers collés der Kubisten, den Materialmontagen der
Futuristen, Dadaisten und Surrealisten ihren Anfang nahm und sich
in einer Vielzahl von Formen und Darstellungstechniken diversifizierte, die in den Begriffen Assemblage, ready made, objet trouvé bis Environment oder Happening lexikalisch erfaßt wurden. Nun war es unter anderem gerade diese Tradition, die entscheidend zur Auflösung der Gattungsgrenzen beigetragen hat. Man denke an den „Untitled Event“ am Black Mountain College 1952 wie an die Arbeit John Cages überhaupt, an die Aktionen der Fluxusbewegung Anfang der sechziger Jahre, an die Arbeiten Joseph Beuys‘ und vieler anderer.

Tilman Küntzels unbedingte Neigung für Fundstücke, Vorfabriziertes, für die Dinge und Undinge unserer Konsumgesellschaft stellt ihn in dieses ästhetische Gravitationsfeld. So findet man kleine Drahtkäfige, die ursprünglich als Behälter für Meßgeräte dienten und nun über einem Springbrunnen aufgehängt und mit Vogelgesang versehen sind oder Kopfkissen, die Geschichten erzählen, Deckenventilatoren, die klingen, Eierschneider als Windharfen, tönende Duschköpfe und blinkende Weihnachtssterne. Küntzel benutzt die Dinge und Fundstücke seiner Wahl nicht als ready mades in einem puristischen Sinn, d. h. daß die Gegenstände ohne Eingriff des Künstlers zum ästhetischen Objekt ernannt werden. Im Gegenteil: Er arbeitet mit ihren plastischen, formalen Eigenschaften, kämmt sie gegen den Strich, benutzt die Gebrauchsgegenstände auch gegen ihre angestammte Funktion. Und er legt es auf die Bedeutungen, die Konnotationen an, die diese Gegenstände quasi auratisch umgeben. Nicht zuletzt ist es der Transfer aus ihrem angestammten Kontext in neue Anordnungen, der die semiotische Tätigkeit begleitet.

Ein Beispiel: 1993 richtete er die Installation VÖLKER HÖRT DIE SIGNALE in Lodz ein. Entscheidend war hierfür die Spezifik des Ortes: eine Fußgängerzone im Zentrum der Stadt. Dort konnte man, wie Küntzel selbst sagt, die zunehmende Orientierung an der westlichen Lebensweise beobachten, wie sie seit der Öffnung Polens Einzug gehalten hatte. Neben der sogenannten site-specifity verkörperten die rot-weiß-blauen Überseetaschen das zentrale Element dieser Installation. Sie sind als Einkaufstaschen überdimensional groß, aus Plastik und quaderförmig. Küntzel stabilisierte diese Taschen, so daß ihr volles Volumen zur Geltung kam und nutzte sie als Bausteine, die er an diesem Platz auf vier Straßenlaternen (auf jeder zwei) montierte. Die Taschen wurden zusätzlich durch Lichterketten erhellt, und in jeder wurde ein Außenlautsprecher versteckt. Aus diesen tönten in aleatorischer Folge Klänge und Geräusche von den mechanischen Webstühlen, die einstmals in der ehemaligen Grobmann-Scheibler Textilfabrik in Lodz standen.

Die formalen Eigenschaften des Gegenstandes „Überseetasche“, seine gegen die eigentliche Funktion gewendete Nutzung als plastisches Element und das Hinzufügen der Dimensionen Licht und Klang konstituieren ihn als ein visuelles und zugleich akustisches Sinnbild. Die Taschen selbst sind Zeichen für die Flut westlicher Waren, die in großen Mengen gen Osten wanderten, und sie sind Fetische. Sie existieren nicht nur in ihrer phänomenologischen Dinglichkeit, d. h. in ihren Formen, Farben und in ihrem direkten Nutzen. In ihnen kondensiert sich symbolhaft, verdinglicht sozusagen, die Struktur unserer gesellschaftlichen und kulturellen Verhältnisse, die der Warengesellschaft. Gerade in ihrer scheinbar „natürlichen“ unvermittelten Existenz tritt (nach Karl Marx) dem Konsumenten in der Warenwelt seine eigene Entfremdung entgegen. Küntzel entlarvt den Fetischcharakter in mehrfacher Hinsicht. Die Klangspur fügt dem Arrangement eine historische, die Bedeutung verdoppelnde Komponente hinzu. Der Titel der Arbeit allerdings – VÖLKER HÖRT DIE SIGNALE – der signifikante Refrainbeginn der Internationalen, persifliert in einem Atemzug sozialistische Utopie und Vergangenheit, wo angesichts des Siegs des Kapitalismus das müde Absingen dieses Kampfliedes nur noch belächelt werden kann.

Nicht nur als zum Objekt geronnener Ausdruck der Verhältnisse, sondern auch als Ersatz für das eigentliche Objekt der Begierde (also im Freudschen Sinn) nimmt Küntzel die Dinge ins Visier. Zum Beispiel in der Klangskulptur KLINGENDE KULTURBEUTEL. Zwei giftgrüne Plastik-Kulturtaschen werden auf zwei von Elektromotoren angetriebenen Drehscheiben plaziert. Sie beinhalten jeweils einen Lautsprecher und einen Walkman. Der „dazugehörige“ Sound
allerdings, ein Ausschnitt Schweizer Volksmusik, die in einer Endlosschlaufe erklingt, kommt nicht von den Walkmen in den Beuteln, sondern von einem externen Gerät. Der Witz dieser Arbeit liegt im Spiel mit der Doppeldeutigkeit des Begriffs Kultur, und zwar im Sinne von geistiger Kultur, von Kunst, als auch im Sinne von Kultivierung von Land, womit die ländlich-bäuerliche Sphäre
angesprochen wird. Vor allem das musikalische Zitat im Zusammenhang mit den stark farbigen und knautschigen Beschaffenheiten dieser Beutel, die sich in einem endlos gleichen Tanz um sich selbst drehen, entlarvt auf ironische Weise den Kulturbeutel als Objekt, in dem sich, über seine Funktion als mehr oder weniger praktisches Behältnis hinaus, die kulturellen Ambitionen oder Projektionen seines Besitzers spiegeln können.

Die Auswahl der Klangspuren ist Ergebnis eines assoziativen Prozesses, der sich an den nicht-begrifflichen Komponenten der Bedeutungen der Objekte orientiert. Dieser assoziativen Methode entspringt die Ironie, die den wa(h)ren Charakter der Dinge, der hinter ihren Funktionen lauert, enttarnt. Küntzel nennt die Klangspur, die sich wie eine weitere Dimension an die Oberfläche der Dinge haftet, eine „auditive Allegorie“. Durch das Hinzufügen von Klang werden die den Dingen innewohnenden potentiellen Bedeutungen versinnbildlicht und für den Betrachter mobilisiert.

III

Außer den Gebrauchsgegenständen des alltäglichen Lebens oder solchen Fundstücken, die eine zum Narrativen drängende Semantik haben, gilt Küntzels Interesse besonders den Kitsch-Objekten. Vergegenwärtigt man sich, was ein kitschiges Objekt ausmacht, so wird erkennbar, daß dieses Interesse nicht einfach als eine „folie“ abgetan werden kann, sondern seinem ihm eigenen künstlerischen Umgang mit den Dingen als homologes Element gegenübertritt.
Kitsch als Massenprodukt verkörpert nicht nur in besonderem Maße den Gegenpol zu Kunst. In einer Welt stetig zirkulierender Bilder und Zeichen erscheint der Kitsch an die Kunst gebunden. Er lauert auf die stets wiederkehrenden Gelegenheiten, aus der Kunst hervorzuspringen. Man denke nur an die Vermarktung der Bilder in den Museumsshops, an die Krawatten, die Seidenschals und den anderen Krimskrams, der mit dem Muster der „Drip Paintings“ Jackson Pollocks überzogen ist. Kitsch zeichnet sich auch durch Inadäquatheit, Heterogenität und durch seine Dysfunktionalität aus. Kitsch mißdeutet Formen, indem er sie aus ihren Kontexten löst; Materialien werden vorgetäuscht, Echtheit und Wert simuliert. Das ausgewogene Verhältnis von Mittel und Zweck schlägt um in Disproportion.

Typisches Beispiel solch kitschiger Dysfunktionalität ist das Gadget, etwa der Autoschlüsselanhänger mit Spiegel, die Puderdose, die Uhr. Es ist aber doch genau dieses Absehen von der ursprünglichen Funktion und die Betrachtung der Dinge von einem formalen ästhetischen Standpunkt aus sowie ihre Einbettung in eine neue Anordnung, was Tilman Küntzels spielerische ironische Arbeitsweise
ausmacht, im Fall der KLINGENDEN KULTURBEUTEL sogar einen Gebrauchsgegenstand zu einem Kitschobjekt macht. Aber es ist noch ein anderes strukturelles Merkmal des Kitsches, das sich in den von Küntzel bevorzugten Objekten zeigt, und zwar in den populären elektronischen Objekten „made in Hongkong, China oder Taiwan“, die sich dadurch auszeichnen, daß sie mit Lauflichtern oder anderen Lichteffekten ausgestattet sind. Hierin offenbart sich die kumulative Struktur des Kitsches: die Kombinationen verschiedener Elemente und Medien, die das Zusammenwirken verschiedene Wahrnehmungssphären, der Synästhesie forciert. Diese Spezifik des Kitsches trifft bei Küntzel auf ein ausgeprägtes Interesse an der Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Licht und Klang.

IV

Bereits 1988 reflektiert er dieses Verhältnis in dem Prototype DRONE DES LICHTS, in der, auf der Basis der Gleichsetzung von Schwingungsfrequenz eines Klanges und dem Tatbestand des Wechselstromes mit 50 Hz, elektrisches Licht direkt in Klang umgesetzt wird. Im selben Jahr bastelt Küntzel seine INTERAKTIVE TASCHENLAMPE. Mit dieser Taschenlampe kann man das „ausgeleuchtete“ akustische Umfeld 17 Sekunden lang aufnehmen. Diese Klänge werden sofort gespeichert und sind somit auch wieder abrufbar. Die Substitution von Licht durch Klang geht mit einer Visualisierung oder Allegorisierung einher. Die INTERAKTIVE TASCHENLAMPE trägt den Untertitel „Das Auge sucht, das Ohr findet“. Dies bezieht sich zunächst auf das Objekt selbst. Die Taschenlampe hat ja die Funktion im Dunkeln den Weg auszuleuchten, zu suchen. Aber während der Nutzer dieser Lampe noch vergeblich nach dem Licht, dem Weg (zur Kunst) sucht, hat das Aufnahmegerät in der Taschenlampe stellvertretend für das Ohr bereits Klang gefunden. Der Satz „Das Auge sucht, das Ohr findet“ könnte aber auch als Generalmotto über Tilman Küntzels Arbeiten stehen, basierend auf der Beobachtung, daß die Betrachter von Bildern diesen nicht nur oftmals Unverständnis entgegenbringen, sondern auch zu wenig Aufmerksamkeit, um in einen verstehenden Dialog mit dem Werk einzutreten. Das Anliegen, dem Wahrnehmungsprozeß des Betrachters, der immer auch eine Interaktion von Sehen und Hören ist, entgegenzukommen, motivierten ihn dazu, sein Material um das klanglich-akustische Moment zu erweitern und dies gezielt als Aufmerksamkeit erheischendes, die Wahrnehmung irritierendes, mit Bedeutung spielendes einzusetzen.

So geht es in dem Arbeitszyklus LIGHTS & SOUNDS nicht allein um die
mit Lauf- und Blinklichtern ausgestatteten Objekte. Es sind die durch Lichterketten und Glühbirnen generierten Rhythmen, die diese Objekte für Küntzel besonders auszeichnen und die er als akustische Fundstücke hörbar macht. Die leuchtenden Weihnachtssterne oder die blinkenden Rosen werden durch einen Bimetall-Schaltmechanismus in den einzelnen Glühbirnen gesteuert. Dadurch entsteht, vor allem in der Kombination von mehreren bzw. vielen solcher Lichtobjekte eine unregelmäßige Blinkfrequenz, eine Polyrhythmik aus Licht, die dem Zufall unterliegt. Küntzel macht diese rhythmischen Strukturen hörbar, in dem er den Stromkreislauf, wie er selbst sagt, „anzapft“ und mit piezoelektrischen Elementen verknüpft und somit entweder in akustische Impulse umwandelt oder via Interface gespeicherte Klänge abruft.

Die Arbeit an der Musikalisierung von visuellen Strukturen führt Küntzel einerseits zu unterschiedlichen künstlerischen Ausdrucksformen. In THE SHOUTING CHRISTMAS STARS (1996/97) wurde 25 leuchtende Weihnachtssterne, montiert in einem Schaukasten der U-Bahn in Hamburg, in einen öffentlichen Raum als Installation implantiert. Ähnliche Lichtobjekte treten in TRIO FOR PIEZOS, in THE SOUND OF LOVE als Klangskulpturen auf. Und in der Installation POLYRHYTHMEN GESTEUERT DURCH LICHTOBJEKTE (1997) funktionieren die in akustische Impulse übersetzten visuellen Rhythmen der Lichtobjekte den Ausstellungsraum in einen „polyrhythmischen Klangraum“ um. Andererseits bekommt die Arbeit am und mit dem Klang ein größeres Gewicht bei gleichzeitiger Reduktion des erzählenden Charakters seiner Objekte.

In einer seiner jüngsten Arbeiten – ROSEBOARD – verwendet Tilman Küntzel dreißig längliche Plexiglasquader, die einen Würfel formen und von denen jeder einzelne eine rote Seidenrose beherbergt. Die Seidenrosen sind mit Blinklichtern ausgestattet, die durch Bimetall-Mechanismus gesteuert werden. Aufgrund von Stromschwankungen leuchtet jede einzelne Rose unterschiedlich stark und unterschiedlich lang. Jedem Lichtobjekt ist ein eigener Klang (bzw. ein eigens Geräusch) zugeordnet, der via Interface von einem Sampler abgerufen werden kann. Der Komponist bestimmt die Programmierung und die Gestalt der Klänge sowie deren Verlauf, d. h. in welcher Reihenfolge welche der dreißig Rosen leuchtet und klingt. Dem Zufall, den den Lichtobjekten eigenen
Stromschwankungen ist überlassen, wie der Klang erscheint: wie lang und wie laut er ist und in welcher Tonhöhe. Das Prinzip des ROSEBOARDs kann sowohl als Generator von Klängen in Installationen dienen als auch als Musikinstrument verwendet werden, das, diesmal, vom Komponisten Tilman Küntzel selbstgestaltete, elektroakustische Klangformen realisiert. Immer ist es jedoch als Skulptur präsent, die die kitschigen roten blinkenden Seidenrosen in ein Raster von fünf mal sechs Rosen zwängt, die den Verlauf der Komposition gleichzeitig wie in einer Partitur sichtbar machen. Auch wenn sich hier das Medium Klang zunehmend in den Vordergrund schiebt, bleibt nicht nur das Wechselspiel zwischen Visuellem und Auditivem präsent, sondern auch das Spiel mit dem Objekt und seinen Assoziationsfeld. Wirkt doch das ROSEBOARD wie ein überdimensionales elektronisches Bauteil, wie Hybrid aus mutierten Rosen (solchen, die nicht duften, dafür aber klingen) und Klanggenerator. Genau diese Bilder und Assoziationen kreierende Art der Gestaltung – die Gläser samt Inhalt erinnern an Einmachgläser oder an medizinische Präparate – ist ein durchgehender, der Objektkunst verpflichteter Zug dieses Arbeitens. Trotz zunehmender Reduktion auf Immaterielles – Licht und Klang –, Tilmann Küntzels Licht-Klang-Installationen sind als Wahrnehmungsräume vor allem aber Bilder, Inszenierungen und Erzählungen.

V

Tilman Küntzel ist ein Reisender in Sachen Kunst bzw. Klangkunst. Sein künstlerisches Selbstverständnis tritt in einer „nomadischen Praxis“ zutage. Diese betrifft nicht nur seinen äußeren Lebenstil. Sie durchzieht vor allem die verschiedenen Ebenen seiner ästhetischen Praxis. Wie viele andere Künstler unserer Zeit repräsentiert er nicht mehr das statische Bild des an einem Ort im Atelier arbeitenden Künstlers, der ausschließlich Produkte herstellt. Die künstlerische Tätigkeit beschränkt sich beileibe heute nicht mehr auf das Mischen von Farben, das Malen, das Formen von Ton oder das Behauen eines Steins, also auf das ausschließliche Hervorbringen von Kunstwerken. Der künstlerische Handlungsbereich hat sich erweitert, er integriert die Beschaffung von finanziellen Mitteln, bedeutet Organisation, Koordination, Produktion von Katalogen, umfaßt neben Feld- und Archivforschung, die Tätigkeit als Kurator, Programmgestalter, Pädagoge und Werber in eigener Sache. Diese vielfachen Anforderungen und Aufgaben lassen sich als ein umfassendes Set von ästhetischen Dienstleistungen definieren.

Das Nomadische schreibt sich in die Fluktuation zwischen den Gattungen ein, wie sich auch zwischen den einzelnen Formen Klangskulptur, Klanginstallation, Klangenvironment die Grenzen fließend gstalten. Gerade dieses Vagieren zwischen unterschiedlichen Ausdrucksformen beruht auf einer Vorgehensweise, die zugleich konzeptuell und flexibel ist. Meistens konkretisieren sich die Ideen und Konzepte einzelner Projekte in der Auseinandersetzung mit einem spezifischen Ort, mit einer bestimmten inhaltlichen Ausrichtung, die ein Kurator oder eine Institution vorgibt. Einmal ausgearbeitete Projekte wie LIGHTS & SOUNDS sind keine Werke, die nicht angetastet werden dürfen und nur als wortgetreue Wiederholung erlebbar sind. Im Gegenteil: Ihr Konzept kann an neue Erfordernisse, an neue spezifische Orte, gestellte Aufgaben, situativen Bedingungen angepaßt und verändert werden. Und umgekehrt können die Konzeptionen aus diesen, an der jeweiligen Situation orientierten Arbeiten verändert und weiterentwickelt hervorgehen. Nicht allein die chronologische Spur einzelner Projekte zählt. Ihre Beweglichkeit, ihre Vernetzung untereinander und ihre gegenseitige Bezugnahme stellen selbst einen ästhetischen – einen nomadischen – Diskurs dar.

In: Strukturgeneratoren und andere Allegorien
Mongraphischer Katalog zum Werk von Tilman Küntzel
Saarbrücken 2002

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