Brigitte Zimmer
Brutkästen Piepen, zischen und sprechen Russisch
Kunst am Baum im Botanischen Garten
Stare sind wahre Gesangskünstler. Sie imitieren eine Vielfalt von Vogelarten und anderen Lauten. Stare verfolgen über ein Repertoire von etwa 15 bis 20 unterschiedlichen Nachahmungen. Die Zugvögel singen individuelle Strophen und sogar in ortsbezogenen Dialekten, die sie von anderen Staren lernen. Wenn sich ein Starenpärchen an einem anderen Brutplatz niederlässt, erlernt es den dortigen Dialekt. Das menschliche Ohr ist schlicht überfordert, die Vielzahl der nur jeweils eine halbe Sekunde dauernden Bausteine einer Gesangsphase zu identifizieren. Der Wissenschaf geben die erstaunlichen Leistungen der Vögel immer noch große Rätsel auf. Wie machen es die kleinen schwarzen Gesellen und wozu der ganze Aufwand? Den Aktionskünstler Tilman Küntzel haben die mimetischen Fähigkeiten der Tiere zu einem Projekt inspiriert, das als pseudowissenschaftliche Versuchsanordnung Gestalt annahm. Die Installation „Units für Stare zum Lehren von Tonfolgen“ ist vom März bis Juni 2005 im Arboretum des Botanischen Gartens Berlin-Dahlem eine kurzzeitige Attraktion. Sie besteht aus fünf Elementen, die optisch an Nistkästen erinnern und wie diese über Sitzstangen verfügen. Setzt sich ein Vogel darauf, löst es damit eine Klangfolge aus, die von einem Lichtspiel aus verschiedenen LEDs begleitet wird. Die Installation stellt ein Angebot an die wild lebenden Vögel dar, ihr Gesangsrepertoire zu bereichern. Man darf gespannt sein, wie die Vögel auf die Scheinbrutkästen reagieren.
Vielleicht pfeifen die Stare des Botanischen Gartens ja auf die Kunst am Baum. TilmanKüntzel würde das nicht sonderlich betrüben. Schließlich ist sein automatisierter Gesangsuntericht auch nur Blendwerk. Ernsthaft neugierig ist er auf die Reaktionen der Menschen, die sich fragen,warum Starekästen im Botanischen Garten piepen, zische, Russisch sprechen und dabei auchnoch blinken.
Brigitte Zimmer April 2005
Direktorin Öffentlichkeitsarbeit Botanischer Garten und Botanisches Museum Berlin-Dahlem, Freie Universität Berlin